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DAS
WALDECK KONZIL
Alles lag
in Trümmern. Nicht nur die Städte waren ruiniert, auch das,
was einmal die vielgeschätzte deutsche Kultur ausmachte war fragwürdig
geworden. Insbesondere die Liedkultur und da wieder das Volkslied wurde
äußerst skeptisch beäugt. Vieles war durch die Nazis missbraucht
worden und nun nicht mehr singbar. Franz Josef Degenhardt hat das so ausgedrückt:
"Tot sind unsere Lieder unsre alten Lieder.
Lehrer haben sie zerbissen,
Kurzbehoste sie zerklampft,
braune Horden totgeschrien,
Stiefel in den Dreck gestampft."
Die Festivals
auf der Burg Waldeck (1964 – 1969) wurden von den Veranstaltern
als Bestandsaufnahme und Neuorientierung verstanden: welche Lieder aus
der Folklore sind noch singbar, wie knüpfen wir an unsere eigene
Tradition wieder an und wie finden wir Anschluss an die reichhaltige Lied-
und Chansonkultur in Europa und der Welt.
Das anspruchsvolle Vorhaben gelang. Nach sechs Festivals, vollgepackt
mit Workshops, Konzerten, Diskussionen und Jamsessions und dekoriert mit
Namen wie Hein und Os Kröher, Franz Josef Degenhardt, Walter Hedemann,
Hanns Dieter Hüsch, Joana, Reinhard Mey, Walter Moßmann, Christoph
Stählin, Rolf Schwendter, Dieter Süverkrüp, Hannes Wader,
Kristin Bauer-Horn, Michael Wachsmann, Schobert und Black, Ulli &
Fredrik, Hedy West, Colin Wilkie, John Pearse, Shirley Hart, René
Zosso, Juan & José, Phil Ochs um nur einige zu nennen, entstand
eine deutsche "Liedermacherei" die sich mit Neuzeitthemen auseinandersetzte,
eine Weise in Deutschland Chansons zu singen und ein Kodex wie mit deutschen
Volksliedern umzugehen sei.
Die Jahre 1968 und 1969 standen im Zeichen des studentischen Aufbegehrens.
In Europa und in Amerika machte die Hoffnung auf eine bessere Welt lautstark
auf sich aufmerksam. Vieles war zusammen gekommen. Der Vietnamkrieg, die
Bürgerrechtsbewegung in den USA, der Widerstand gegen die atomare
Aufrüstung, die bigotte Moral der Westnationen, der braune Untergrund
in deutschen Behörden und Universitäten und nicht zuletzt eine
neue Musik. Gewaltiges war geschehen: die westliche Jugend hatte zu einer
eigenen Musik gefunden die alles aus den Angeln hob was vorher den Ton
angegeben hatte. Ein Lebensgefühl definierte sich mit aggressivem
Klang, fordernder Botschaft und Kompromisslosigkeit.
Dieses neue Lebensgefühl und die damit einhergehende Musik machten
auch vor der Waldeck nicht halt. In den besagten Jahren tauchten erstmals
"Krautrockbands" und Hippies auf dem Festival auf und mit ihnen
erhebliche Unruhe bei den linken Vordenkern. Anstatt sich mit diesem Neuen
im positiven Sinne auseinander zu setzen wurden Theorien der Subkultur
bemüht um Hippies, neue Musik und was damit sonst noch zusammenhing
in die Ecke bürgerlicher Degenerationerscheinungen zu verbannen.
Mit dem tödlichen Ernst mittelalterlicher Inquisitoren wurde unser
Vortrag auf der Bühne von irgendwelchen Ideologen lautstark unterbrochen
und wir sahen uns aufgefordert unseren Text und unsere Musik vor dem Publikum
zu rechtfertigen. ( Ulli & Fredrik, Waldeck 1969 ). Hans Dieter Hüsch
war der Einzige an diesem Abend, der ungeschoren davon kam.
Die unvermeidliche Diskussion die sich damals jedem Konzert anschloss,
drehte sich in der Hauptsache um die Frage, ob Musik imstande sei gesellschaftliche
Veränderungen zu bewirken oder ob sie nur Vehikel des Textes zu seien
habe. Es wurde mit Bloch argumentiert: das Musik die Hure des Wortes sei
und sich ihm unterzuordnen habe. Ähnlich schwere Geschütze wurden
nachgereicht.
Meine Argumentation darauf war: wenn die Musik also das Weibliche und
der Text das Männliche in einem Liede repräsentiere, würden
die Argumente meiner Vorredner bedeuten, daß Frauen nur eine zweitrangige
Rolle in einer Partnerschaft zugestanden werden könne. Frauen wären
demnach nur die "Vehikel" und "Huren" des Mannes.
Mit kühnem Zirkelschluss entlarvte ich meine Gegner als bürgerlich-reaktionäre
Frauenunterdrücker. Das Geschrei war groß und ich wurde nach
einer Flut mir bis heute unverständlicher Theoreme zur Selbstkritik
ermahnt. Mein Bedarf es mit den Großen der Rhetorik aufzunehmen
war gedeckt.
Fredrik (Friedrich Vahle) und ich waren 1966 zum ersten Mal auf der Waldeck.
Wir spielten als "Ulli & Fredrik" Lieder der 48iger Revolution,
vertonten Heine und hatten allerhand an Bänkelliedern und internationalem
Folk drauf. Obwohl wir kein offizielles Engagement hatten, schaffte es
Fredrik uns auf die Bühne zu bringen. Wir hockten uns vor das Prominentenzelt,
packten unsere Gitarren aus und legten los. Just in dem Moment als wir
die Ballade von Pierre dem roten Coquillard spielten tauchten Hein &
Os Kröher, die zu den Mitinitiatoren der Waldeck gehörten, auf
und wir waren auf der Bühne.
Bei der nächsten Waldeck waren wir natürlich offiziell dabei
und hatten auch sonst guten Erfolg. Wir spielten in Studentenclubs, gaben
Konzerte, agierten auf Demos, machten Rundfunk und tingelten durch Europa.
1968 kam unsere Platte "Wir Bürgermeister und Senat" heraus.
Ich ließ mir einen Schnauzbart wachsen und teilte auf den Essener
Songtagen mit Tim Buckly die Garderobe. Ich spielte in unserem Duo, das
sich später um den Bassisten Diethard Heß erweiterte die Sologitarre,
sang die zweite Stimme und fing Fredrik auf, wenn er mal in ein Loch fiel.
Fredrik war der Macher. Seine Ansagen waren hervorragend, seine Rhetorik
bei den nach-dem-Konzert Besäufnissen unschlagbar. Er sprach jede
Sprache, auch wenn es bei einigen nur drei Worte waren, kannte alle Adornos,
Marcuses und Abendroths und hatte einen unglaublichen Erfolg bei den Damen.
Wir soffen mit italienischen Anarchisten Wodka, spielten in Athen öffentlich
Protestlieder (zur Zeit der Obristendiktatur) und verdienten in Paris
soviel Geld auf der Straße das wir es nicht mehr tragen konnten
Beim AFN in Frankfurt, als Volksliedsänger angekündigt, spielten
wir "Amis raus aus Vietnam" und mussten uns, von einer Horde
GIs verfolgt, aus dem Gebäude retten.VON ROT ZU BUNT
Unsere Wege trennten sich als ich anfing an den Erfolgsaussichten unserer
"Revolution" zu zweifeln. Ich war nach der Verabschiedung der
Notstandsgesetze und der Aussicht auf einen langen Marsch durch die Institutionen,
in meine Fall als Lehrer in einer Grundschule, nicht mehr so ganz von
der Wirksamkeit spätkommunistischer Rezepte überzeugt. Die ewigen
Diskussionen um die Auslegung der heiligen roten Schriften waren auf die
Dauer nicht mein Metier und als dann einige Genossen anfingen Schießübungen
im Wald zu veranstalten war mein Entschluss gefasst: eine neue Musik musste
her...
Ich bewohnte in diesen Tagen eine kleine Wohnung über dem "Scarabe"
in Giessen. Das Scarabe war neben dem "Harlem" Nabel und Treffpunkt
der neu entstehenden Hippieszene. Hier war beste Musik zu hören und
es gab allerfeinstes Dope aus Nepal, Afghanistan und Libanon zu kaufen.
GIs, die in aus Vietnam kamen und in Giessen Etappe machten kamen hierher
um sich zu versorgen, und die vielen Mädels, die sich an den verschiedenen
Hochschulen zu Krankenschwestern oder Lehrerinnen ausbilden ließen,
waren natürlich auch dabei. Die Zeit größerer Razzien
war noch nicht angebrochen und die "Subkultur" blühte ungestört.
Nach und nach wurde meine "Bude" zum Treffpunkt von jungen Musikern
die mitbekommen hatten, dass bei mir stundenlange Sessions liefen und
es immer etwas zu rauchen gab. Diethard war einer der ersten Stammgäste.
Er hatte mit mir bei Fredrik gespielt und war ebenso wie ich scharf darauf
etwas Neues zu probieren. Unsere Musikexperimente waren begleitet von
"Lebensexperimenten" die alle Bereiche des Alltags betrafen.
Wir stoppten ungesunde Angewohnheiten wie das Tabakrauchen und den Alkohol.
Wir ernährten uns vegetarisch-makrobiotisch, begannen den Yoga zu
üben und versenkten uns in metaphysische Literatur. Einmal oder manchmal
sogar zweimal in der Woche gab es eine wohlvorbereitete Sitzung (oder
Wanderung) mit LSD, Psylocibin oder Meskalin mit ausgewählten Freunden.
Auf den Trips malten wir detailüberbordene Bilder mit Filzstiften,
hörten Musik oder machten ein Lagerfeuer im Bergwerkswald. Unsere
"innere Revolution", die jetzt anstelle des marxistischen Klassenkampfes
getreten war, gestaltete sich ausgesprochen spannend und lustvoll. Die
Verachtung der verwaisten Linken war uns ebenso wie die des verschreckten
Bürgertums herzlich egal. Wir waren uns sicher: das war der Weg....
Hartmut Hoffmann kam mit einer marokkanischen Bongo, damals ein unverzichtbares
Instrument jeder Session. Er trommelte dermaßen ausdauernd und schnell,
dass wir Anderen ihn kaum bremsen konnten. Ich besorgte ihm eine Mandoline,
stimmte sie offen und ließ ihn sein Temperament auf diesem Instrument
austoben. Er entwickelte einen ganz eigenen Stil und wurde schnell Meister
der "flying mandolin".
Wir spielten mit unserer Sessionband auf dem ersten Herzbergfestival eine
wilde Mischung aus Freejazz, eingestreuten Gedichtslesungen, Hippiejam
und elektronischem Getöse. Ein Teil des Publikums war absolut begeistert,
der andere Teil verließ uns um bei "Guru Guru" etwas Gewohnteres
zu suchen. Auf einem anderen Festival irgendwo im Taunus, wir waren gerade
voll auf die "Incredible String Band" abgefahren, spielten wir
im Trio zu ersten Mal deutsche Volkslieder in unserer angetrippten Version.
Das Publikum war verblüfft aber willig. Hinterher wurden wir von
den Mädels von "Amon Düül" abgegriffen und in
einem langen Vortrag belehrt, dass die Zeit jetzt reif sei für den
Übergang von der materialistischen zur neuatlantischen Epoche. Die
Mädels waren sehr hübsch und wir schwer beeindruckt.
Neben Diethard und Hartmut kreuzten im Laufe der Monate andere Musiker
bei uns auf. Peter Markl kam mit seiner Gitarre und seinem unglaublichen
künstlerischen Talenten. Peter spielte später fast jedes Instrument,
schrieb deutsche und englische Lyrik und zeichnete erstaunliche Bilder.
In ihm brannte eine heiße, unbändige Flamme die erst mit seinem
leider viel zu frühen Tod erlosch... Unter denen, die später
die Gruppe "Elster Silberflug" noch mitgestalteten war auch
Peters bester Freund Bernward Spiegelburg. Er kam gelegentlich vorbei,
spielte Mandoline und Gitarre, sang sehr gut, malte und schrieb Lieder.
Thomas Ziebarth, last not least, kam aus Frankfurt brachte seine Flöten
und Kastagnetten mit. Thomas war und ist ein Allround-Genie dessen Bilder
mich immer wieder erstaunen...
Über dieser "Gründerzeit" (1969-1971) ist dank Werner
Pieper ein Text erhalten geblieben den ich kurz danach über die Elstern
geschrieben habe:
"Da war einmal der Diethard, Lehrersohn aus Hessen, der hat erst
mal alles gemacht, was man von ihm wollte. 13 Jahre lang die Schule, dann
Abitur, dann Studium. Der wusste sich nicht anders zu helfen und hat sein
Unbehagen politisch gedeutet. Schülerbund und SDS, Demonstrationen
und Diskussionen... jedenfalls hat er sich ganz schön frei gerauft.
Musik lief bei ihm schon immer. Sein Urgroßvater trug die Haare
bis zu den Schultern. Diethard hat schon früh Rockmusik gemacht,
gegeigt und trompetet. Ich hab ihm dann den ersten Joint verpasst, das
nehmen mir seine Eltern heut noch krumm.
Dann der Hartmut, der musste Anzüge an Giessener Bürgersleut
verkaufen, er wusste es auch nicht besser. Später hat er dann LSD
genommen, reichlich, und gedrummt... dann war ihm, glaub, ich wesentlich
wohler.
Und dann Thomas "Cibi"Ziebarth, Zugereister aus Frankfurt. Wir
haben damals in Gießen rumgemacht. Mann, ihr hättet uns sehen
sollen - in lockeren Gewändern, Blumen im Haar, durch die Wälder,
immer stoned oder high, immer Musik gemacht auch elektrisch, nicht gesoffen,
kein Fleisch, kein Tabak – Eugen war auch dabei.
Irgendwann kam dann ein Paukenschlag, wie auch immer, das Spiel wurde
plötzlich sehr ernst – den Heiligenschein hatten wir nur sehr
kurz.
Hartmut und ich wollten erst mal nach Indien um zu sehen, was dran ist
und um unsere Unruhe auf die Straße zu bringen. Diethard wollte
nicht mit, er meinte, er wäre Krebs und darum sehr häuslich.
Aber Thomas wollte mit und brachte auch gleich unser Reisekapital mit:
80 Mark. So gings los.
Ich hab dann den Jungs das tingeln beigebracht und wir haben unser amerikanisch-englisches
Skiffle-Folk-Schnulz Programm in jeder Stadt, die an unserem Weg lag den
Leuten vorgespielt. Ein paar deutsche Volkslieder hatten wir auch bald
drauf.
Wir sind dann auch durch Heidelberg gekommen und haben in Werner Piepers
Büro (Grüne Kraft) gepennt. Vorher hatten wir uns noch ein Gute-Nacht-Liedchen
gespielt und das war der Beginn von "Elster Silberflug": plötzlich
kam Tom Kannemacher nebst eines Tonbandgerätes in unsere Bleibe,
schrie: "Hurra, endlich noch so ein paar Typen die deutsche Volkslieder
singen", wollte alles aufnehmen was wir drauf hatten. Er war echt
bewegt und hat erzählt wo man Texte bekommen kann, welche Liederbücher
was taugen und wie man sich an den Sinn der Lieder ranpirschen kann. (Tom
war ein "früher" Volkslied- und Mittelaltersänger)
Na ja, wir sind dann weiter und haben uns in München ein herrliches
Liederbuch zugelegt und eine wunderbare Indienreise gemacht bis uns auf
dem Rückweg der Gilb ans Bett fesselte. Das war in Kabul, wir hatten
ein paar Wochen Muße und kamen auf ein paar für uns sehr erhellende
Gedanken : Jedes Volk spielt seine eigene Musik, nur wir nicht (außer
Bayern vielleicht) und irgendwelche Heinos sind im musikalischen Sinn
nicht ernst zu nehmen.
Kein Sänger braucht sich wegen seiner Volkslieder zu rechtfertigen,
nur wir... Haben die Deutschen nun nur dumme, überholte Lieder? Nein!
Wir haben in Afghanistan vor internationalem Publikum gespielt und mir
hallt das : it`s so beautyfull, ist that really german
forlkmusic? I never heard that before. noch im Ohr."
Soweit der Text von damals.
Der Flug der "Elstern" startete ernsthaft als wir nach einem
Intermezzo in Karlsruhe nach Heidelberg gingen und anfingen täglich
auf der Straße zu spielen. DAS FOLK REVIVAL
Unsere bevorzugten Spielplätze in Heidelberg waren der Theaterplatz,
der Uniplatz, der Eingang vor dem Sporthaus Bredl und der freie Platz
zwischen dem Musikgeschäft Hochstein und der Kirche. Um die ganze
Truppe zu ernähren spielten wir bis zu vier Stunden pro Tag. Zum
Üben und Ausruhen gingen wir oft in den Park oben am Schloss oder
in den Museumsgarten. Übernachtet wurde bei Freunden, im CA, dem
Release oder in vorübergehend leeren Wohnungen.
Unsere Präsenz erregt Aufmerksamkeit und wir wurden so etwas wie
eine "Einrichtung" in der Heidelberger Kulturlandschaft. Zwei
weitere Musiker schlossen sich uns an: Barbara Grosse mit glockenheller
Stimme und wildem Tambourinspiel und Lutz Berger mit seiner virtuos gespielten
Geige.
Unser Betätigungsfeld erweiterte sich mit wachsender Popularität
schnell .Zu den Straßenauftritten kamen kleinere und größere
Aktionen in Kneipen wie dem "Güldenen Schaf" und Konzerte
in Clubs oder größeren Sälen. Das Stadttheater wurde auf
uns aufmerksam und engagierte uns für verschiedene Produktionen.
Für das Zimmertheater schrieben und spielten wir das Singspiel "Wanderers
Weltfahrt" und gestalteten im großen Haus zusammen mit befreundeten
Kollegen eine Galaveranstaltung.
Auch außerhalb von Heidelberg kamen wir gut voran. Wir waren eine
der ersten Gruppen, die ein rein deutsches Folkprogramm spielten und waren
dadurch so etwas wie Exoten in der Musiklandschaft. Zu dieser Zeit gab
es meistens neben politischer Liedermacherei Folk aus Irland, England,
den USA und vielleicht noch Spanien in Deutschland zu hören. Elster
Silberflug war da die Ausnahme. Unser Programm bestand damals aus einigen
wenigen mittelalterlichen Stücken, in der Hauptsache aber aus Volksiedern
von Barock bis Romantik. Das Publikum ging voll mit und fand Spaß
an dem, was wir da machten.
Der "Durchbruch" kann dann relativ schnell. Einmal auf den Festivals
und in den einschlägigen Folkclubs begann das, was man heute als
die deutsche Folkwelle bezeichnet. Gruppen, die bis dato eher internationale
Folklore und politisches Lied gespielt hatten änderten oder erweiterten
ihr Programme und fingen an deutsche Liederbücher zu studieren.
Namen wie "Fiedel Michel", Zupfgeigenhansel", "Schwan"
oder auch "Liederjahn" wurden dem Publikum geläufig uns
begannen Säle zu füllen. Folktourneen, ähnlich dem "Irish
Folk Festival" wurden sehr erfolgreich mit deutschen Gruppen veranstaltet,
Platten wurden produziert und Liederbücher ediert. Das linke Kulturestablishment
war nicht sonderlich amüsiert und forderte mehr linke und engagierte
Lieder von den Gruppen. Da diese Leute zum Teil auch Veranstalter oder
Organisatoren von Folkclubs waren blockten sie oft sogenannte "unpolitische"
Gruppen und ließen sie nur unwillig auftreten.
Von den ursprünglich zahlreichen "Elstern" hatten sich
Hartmut Hoffmann, Thomas Ziebarth, Diethard Heß, Barbara Grosse,
Lutz Berger und Ulrich Freise als Stammgruppe herauskristallisiert. Zwei
LPs dokumentieren das Schaffen der "Elstern" aus dieser Zeit:
"Ich fahr dahin" bei Hansa/Ariola und "Komm in meinen Rosengarten"
bei Stockfisch. (Beide Platten sind für Liebhaber auf CD bei www.elster-silberflug.de
zu erhalten.)FACIT
F.J. Degenhardt hat Unrecht behalten. Unsere alten Lieder sind nicht tot.
Nach einer nicht ganz leichten Emanzipationsphase stehen sie uns heute
wieder zur Verfügung. Bei sorgsamen und kritischem Umgang mit dem
Liedmaterial ist es sehr wohl möglich mit lebendigen deutschen Volksliedern
erfolgreiche Programme zu gestalten auch heute.
NACHSATZ
Punk und New Wave haben in den 80igern die Musikszene nachhaltig verändert.
Das was einmal die Folkwelle gewesen war ebbte ab. Zum Teil spielten die
etablierten Gruppen nach altem Konzept weiter, hörten ganz auf oder
wechselten in die aufblühende Mittelalterszene. Historische Feste,
Märkte oder Veranstaltungen auf Burgen bieten bis heute ein reichhaltiges
Betätigungsfeld nicht nur für Folkgruppen sondern auch für
verschiedenste Mischungen aus Rock-, Gothic- und Trancemusik.
"Elster Silberflug" ist heute (2006) nach vielen Jahren immer
noch eine gefragte Gruppe und tourt nach wie vor durch Deutschland. Das
Konzept hat sich dem heutigen Geschmack angepasst, besteht aber weitestgehend
noch aus Liedern der deutschen Musiktradition. Die Musik des Mittelalters
und der Renaissance ist Schwerpunkt.
Dorle Ferber (Gesang, Geige, Flöte), Moritz Freise (Stabspiel, Perkussion,
Gesang), Barby Grosse-Freise (Gesang, Stabspiel, Autoharp, Perkussion)
und Ulrich Freise (Gesang, Langhalslaute, Akkordeon, Flöte) sind
heute Stammbesetzung der "Elstern".
Zurzeit arbeitet die Gruppe an einem neuen Sound. Da es möglich geworden
ist auf Mittelalterveranstaltungen verstärkt zu spielen und auch
mittelalterfremde Instrumente zu benutzen, eröffnen sich neue Perspektiven.
Gedacht ist eine "psychedelische" Interpretation alter Musik
mit eindringliche Melodien und Texte in großen Klangbildern. Das
soll gehen von Sakral bis Profan, Gotik bis Trance, Fantasy bis Mittelalter...
Ansätze dazu sind auf unserer letzten CD "Spes" zu hören.
(Erhältlich über www.elster-silberflug.de )
Ulrich Freise, Goa, Weihnachten 2006)
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